Die Kreismitgliederversammlung der Grünen im Landkreis Harburg durfte am 16. September 2015 den Bundestagsabgeordneten und haushaltspolitischen Sprecher der Grünen Sven-Christian Kindler in Maschen begrüßen. Als ordentliches Mitglied im Haushaltsausschuss und somit an der Schnittstelle zwischen Finanzen und Politik referierte er zu den Themen Flüchtlinge und Griechenland sowie die mannigfaltigen Verknüpfungen dieser Bereiche zu den Strukturen in der Europäischen Gemeinschaft sowie der europäischen und deutschen Wirtschafts- und Außenpolitik.
Zunächst wies der auslandskundige Bundespolitiker einleitend zum Flüchtlingsthema darauf hin, dass nach wie vor die Mehrzahl der Flüchtlinge innerhalb der Herkunftsländer oder in den Anrainerstaaten Zuflucht sucht. Doch auch dort werden sichere Orte und Regionen rarer und die Zustände in den Flüchtlingslagern immer unerträglicher.
Der schwarz-roten Regierung attestierte er in der Flüchtlingsfrage vielfältiges Versagen. Angefangen bei der ignorierten Vorhersehbarkeit, der mangelnden Kompetenz, der Fehler und Defizite in der nationalen und internationalen Koordination und Kooperation beschrieb er die derzeitige Politik als völlig kopf- und konzeptlos.
Die Divergenzen und Differenzen in Finanz- und Wirtschaftsfragen setzen sich nun beim Umgang mit den Flüchtlingsströmen fort. Unterschiedliche Belastbarkeiten und die jeweiligen historisch-kulturellen Hintergründe erschweren die Entwicklung gemeinsamer Strategien. Zwar sei die Aufnahmebereitschaft und das finanzielle Engagement in Deutschland sehr lobenswert aber bei weitem nicht ausreichend, um der Lage einigermaßen Herr zu werden. Hier fehle es an zusätzlichen Mitteln, an beschleunigten Asylverfahren, administrativer und logistischer Effizienz und einem Einwanderungsgesetz, dass legale Zugangsmöglichkeiten schafft und so das Schlepperwesen wirksam eindämmt. Insbesondere CDU/CSU ergehen sich allem Anschein nach in einer Doppelstrategie nach dem Muster “guter Politiker, böser Politiker” um unverhohlen zu alten teils rechtswidrigen Regelungen wie Gutscheinen, Leistungseinschränkungen oder Grenzkontrollen zurückzukehren, statt intensiv an einer tragfähigen Lastenverteilung zu arbeiten.
Schließlich wies der studierte Betriebswirt darauf hin, dass die Auslöser der Krisen und Konflikte neben den Wirtschaftsinteressen der hochentwickelten Industriestaaten auch in der Europäischen Union, in ausbeuterischen Handelsabkommen, der Gier nach Ressourcen, dem Klimawandel und der dramatischen Bodenzerstörung zu suchen sind. Hier intensiv friedenstiftend, stabilisierend und restrukturierend mitzuwirken wäre ebenfalls oberstes Gebot, um auch eine Rückkehrperspektive in die Herkunftsländer zu erreichen.
Auch die gesellschaftlichen Konfliktpotenziale zum Beispiel durch zunehmende Konkurrenz um bezahlbaren Wohnraum und prekäre Beschäftigung darf nicht unterschätzt werden.
Im Hinblick auf Griechenland führte Kindler aus, dass die krisenhaften Entwicklungen ursächlichen mehr den Strukturen und Gebaren des Banken- und Finanzwesens und den völlig unzureichenden Regulierungen zuzuordnen sind. Nachdrücklich wies er auf die Zusammenhänge zwischen Schulden und Vermögen, den zunehmenden Kapitalakkumulationen und den globalen Ungleichgewichten hin. Natürlich bestehe auch in Griechenland enormer Reformbedarf, doch treffe die extreme Austeritätspolitik Griechenland ungleich schwerer als beispielsweise Spanien oder Portugal, deren entsprechende Programme mittlerweile ausgelaufen seien.
Die anschließende Diskussion stand mehr unter den kommunalpolitischen Aspekten der Flüchtlingsversorgung und dass hier sehr viel mehr Unterstützung von Nöten ist als zugesagt oder in Aussicht gestellt wurde. Auch verschiedene Lieferengpässe wie bei Containern oder Küchenausstattungen kamen zur Sprache und Alternativen wie Ständerwerkbauten wurden besprochen. Allen war klar, dass außer der Arbeit und dem Finanzbedarf auch in den Kommunen das Konfliktpotenzial steigen wird, wenn es weiterhin an der notwendigen politischen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit mangelt.
Michael Krause
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